Vorwort
Altern heißt,
sich über sich selbst
klar werden
Simone de Beauvoir
(9. Januar 1908 - 14. April 1986)
Auf dem letzten Abschnitt meines Lebenswegs im achtzigsten Jahr nach 1936 liegt mir daran, jene finale Klarheit zu gewinnen, die das Alter primär wahrhaft ausmacht.
Der wohl wichtigste Schritt gilt dem Zurücklassen all jener als wesentlich angesehenen persönlichen Ketten, die sich als verzichtbar, als störend oder gar lästig erwiesen. Zu keiner Zeit war ich zimperlich, wenn es um meine Befreiung von überlebten Zuständen ging. Stets legte ich meine Sicht, auch Einsicht, nieder. So entstanden auf diese Art meine Schriften, teils auf beruflichem, teils auf gesellschaftlichem Umfeld gewachsen, auch als verdichtete Sicht eines Vaganten. Treffsichere Pfeile, so etliche meiner Essays, sollten Irrgeleitete zur Strecke bringen. Zumindest erzeugten sie Respekt.
Meine Zugehörigkeit zu den Tablern war ein Wagnis auf der Erkundungsreise aus dem zu engen Kirchturmsschatten in die Welt. Dort stieß ich zu Gleichgesinnten. Ihrer viele blieben mir bis zum Tod mit unverrosteten Angeln eng verbunden. Als unvergesslich erweisen sich unsere Dialoge. Im Alter schließt man höchst selten neue Freundschaften. Begegnung allein lohnt nicht.
Meine Zeit widme ich der aktuellen Gegenwart. Ist sie nicht ebenso aufschlussreich, interessant, aber viel lehrreicher als Verflossenes? Besonders Gegensätze, die im Miteinander der Generationen streitig und unbarmherzig ausgefochten werden, begünstigen wie von jeher junges Blut. Fehler geschehen dabei seit Jahrtausenden stets aufs Neue. Daher kann man heute absehen, was endlich herauskommen wird.
Man könnte aus der Geschichte lernen. Man müsste die Geschichte jedoch kennen. Forschen Erneuerern ermangelte es schon immer des wahrhaften Wissens und klugen Verstehens. Infolgedessen ist ihre Dreistigkeit unvermeidlich. Das Neue wird das Alte sein, nur anders!
Die Geschichte der Tabler-Bewegung hat ihre Ursachen und Hintergründe. Einige findet der Leser in ANITAS SONNE notiert, ungenannte Einflüsse werden noch hinzutreten. Als eine wesentliche Erkenntnis gewann ich Gewissheit, dass gegenwärtig und demnächst im 21. Jahrhundert das Tablerwesen in Deutschland im Sinne seiner Gründer nicht mehr existenzfähig sein wird. Die Menschen sind und sie werden anders sein als vor hundert oder vor fünfzig Jahren. Sie werden ihren Club nach ihrer Daseinsweise neu formen und unerbittlich handeln.
Viel Glück!
Wolfgang Rösel
Zähle deine Jahre,
und du wirst dich schämen,
noch immer dasselbe zu wollen
und zu treiben
wie als Knabe
Lucius Annaeus Seneca,
römischer Philosoph, 4. Jh. v. Chr.